Als der hochangesehene Domkapellmeister von Bergamo, Giovanni Simone Mayr 1845 verstarb hinterließ er ein umfassendes
musikalisches Erbe, bestehend aus Kirchenmusik (die seinem Wunsch entsprechend zu Lebzeiten nicht veröffentlicht werden
sollte), instrumentaler und vokaler Kammermusik sowie mehr als 60 Opern.
Johann Simon Mayr wurde als Sohn eines Lehrers und Organisten 1763 im bayrischen Mendorf bei Ingolstadt geboren. Dem
Wunsch seiner Eltern entsprechend studierte neben seiner musikalischen Ausbildung auch Theologie, Recht, Rhetorik,
Logik und Medizin an der Universität in Ingolstatt.
Der gebildete junge Mann erhielt bald eine Anstellung bei Baron Thomas von Bassus auf Schloss Sandersdorf, musste
Bayern aber wegen der Verwicklung seines Dienstherrn in den “Orden der Illuminaten” nach mehreren polizeilichen Interventionen
verlassen und flüchtete mit ihm über die Schweiz nach Italien.
Obwohl die Affaire rund um die “Illuminaten” nach deren Auflösung recht bald unspektakulär im Sande verlief, blieb Mayr
in Italien, setzte seine musikalischen Studien fort und änderte seine Vornamen in “Giovanni Simone”.
Am 6. Mai 1802 wurde Mayr zum Kapellmeister von Santa Maria Maggiore in Bergamo ernannt – er sollte diese Funktion
bis zu seinem Lebensende behalten.
War Mayr, wie er selber meinte, nicht das Glück beschieden, den richtigen Lehrer gefunden zu haben, so setzte er
gerade deshalb sein Engagement daran, für die Ausbildung der Jüngeren zu sorgen. 1805 wurde in Bergamo Mayrs
Musikschule “Le Lezioni Caritatevoli” gegründet; Sein bis heute berühmtester Schüler war Gaetano Donizetti,
der ab 1806 an Mayrs Schule studierte.
Auf Anregung von Peter von Winter komponierte Mayr zwischen 1794 und 1823 mehr als 60 Opern, welche in ganz
Europa mit größtem Erfolg aufgeführt wurden und er entwickelte eine Stilistik, die den Siegeszug der italienischen
Oper von Mozart und Salieri über Rossini, Bellini und Donizetti hin zum Belcanto führen sollte. In Italien
wird er deshalb bis heute unter Kennern als “Vater der italienischen Oper” bezeichnet.
Warum Mayr sich nach 1823 plötzlich völlig von der Bühne abwendete, bleibt rätselhaft. Schwer zu verstehen ist
auch Mayrs kategorische Weigerung, seine Kirchenmusik publizieren zu lassen, die er 1840 in einem Brief an
Giovanni Ricordi festschreibt:
„e fu costante mio sistema di non dar fuori musica di chiesa“.
Mayr starb am 2. Dezember 1845 in Bergamo und wurde neben seinem Meisterschüler Gaetano Donizetti in seiner ehemaligen Wirkungsstätte in der Kirche Santa Maria Maggiore bestattet.
Dr. Harald Schlosser